Im vergangenen Sommersemester wurde die Lehre an der Universität durchgängig digital durchgeführt, und so konnte unser Lehr- und Forschungsschulgarten leider nicht wie erhofft in die Lehre integriert werden. So mussten wir in der Lehre ein wenig kreativ werden und improvisieren.
Macht es überhaupt Sinn, Schulgärten in einem digitalen Semester zu unterrichten? Der Reiz des Lernortes Schulgarten liegt doch darin, dass es nach draußen geht, dass es praktisch ist, dass es um das Erkunden und Erleben geht und zwar mit allen Sinnen, dass es darum geht, gemeinsam mit anderen etwas zu planen und zu erreichen und buchstäblich die Früchte der eigenen Arbeit zu ernten. Das war auch oft die Motivation der SchülerInnen, an unserem Schulgartenseminar teilzunehmen.
Wie haben wir nun diese Lernpotenziale des Schulgartens trotz des digitalen Semesters erprobt und umgesetzt? Zunächst einmal haben wir beschlossen, dass es keineswegs nur theoretisch bleiben sollte. Ein Element, wir nannten es "virtuelle Beete", war die Idee, dass die Studierenden, auch wenn sie in ihren Projektgruppen vielleicht nie an einem Ort zusammen waren, dennoch gemeinsam ein Beet planen, umsetzen, seine Entwicklung dokumentieren und Erfolge gemeinsam feiern können.
Einige Student:innen hatten nur eine Fensterbank zur Verfügung, andere hatten das Glück, einen Balkon oder sogar einen Schrebergarten zu haben. Es musste also innerhalb der Gruppen entschieden und ausgehandelt werden, was angebaut werden sollte und wer welche Möglichkeiten hatte.
Dabei wurde schnell deutlich, dass in der gemeinsamen Schulgartenarbeit sowohl technisch-naturwissenschaftliche als auch soziale Aspekte miteinander verwoben sind. Für die gemeinsame Arbeit, die Entscheidungsfindung und die Reflexion der Zusammenarbeit wurden Methoden aus dem Prosozialen Ansatz eingesetzt. Diese halfen den Projektgruppen zum Beispiel, konkret darüber nachzudenken, was ihre gemeinsamen Ziele für ihr Beet und ihre Zusammenarbeit sind, wie sie für Gerechtigkeit sorgen, wie sie gemeinsam Entscheidungen treffen und mit möglichen Konflikten umgehen können, aber auch, was ihre Sorgen und Zweifel sind und wie sie diese überwinden können.
In unser Schulgartenseminar wurde auch der Ansatz des Philosophierens mit Kindern integriert - als Prinzip des kritischen Hinterfragens ethischer, moralischer und existentieller Sinn- und Seinsfragen. Insbesondere die Erfahrungsräume "Natur" und "Garten" bieten Anlass für solche Fragen und Diskurse, z.B. über das Verhältnis von Natur und Mensch, über Verantwortung, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Zeit und Vergänglichkeit, Schönheit und "Wildheit" und ihre Rolle für ein "gutes Leben".
Das Erleben mit allen Sinnen und das Philosophieren in der Natur und in Gärten haben unsere Studierenden schließlich auch dadurch umgesetzt, dass sie im Rahmen der hygienischen Möglichkeiten auf Entdeckungstour in ihre Umgebung gingen, gemeinsam oder allein - in Leipziger Parks, Kleingärten, botanischen Gärten, Gemeinschaftsgärten. Hierbei konnten sie verschiedene Aspekte ausprobieren und reflektieren - philosophische Fragestellungen, Achtsamkeitsübungen, das Beobachten und Vergleichen von Gärten und ihrer Gestaltung, oder auch das Ins-Gespräch-Kommen mit Gärtner:innen, denen sie begegneten.
In unserem Schulgarten wurde in der Zwischenzeit für andere Lebewesen umso mehr Raum gelassen - Wildblumen und diverses Gemüse sprießten, zogen Insekten an, sorgten für einen bunten Augenschmaus für diejenigen, die es in den vereinsamten Campus der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät zog, und gaben uns als Lehrenden manchmal den willkommenen Ausgleich.